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Aus einem Interview über die Piraten

In einem Interview des Magazins Saar-Scene beantwortet Andreas Romeyke, Vorstand Piratenpartei Deutschland LV Sachsen folgende Fragen

1. Frage:
Wie sind Sie zu der Piratenpartei gekommen und durch wen/wodurch wurden Sie auf diese Partei aufmerksam?

In den frühen 90-ern habe ich als Jugendlicher keine Notwendigkeit gesehen, mich parteipolitisch zu betätigen. Den Herbst ’89 fand ich aufregend, aber das Leben ging dann seinen Gang. Erst durch die Sicherheitsgesetze in den Nachwehen des 11. September 2001, insbesondere mit den Schily-Gesetzen (Otto-Katalogen) habe ich mich immer öfter gefragt, wieso sich keine Partei, insbesondere die Grünen nicht, gegen diese Entwicklung stemmt.
Mit Stasi2.0 unter Schäuble war dann für mich klar, wenn ich mich jetzt nicht aufraffe, dann werde ich in 20, 30 Jahren von meinen Kindern die Frage „Und wo warst Du?“ um die Ohren geschlagen bekommen.
Im Frühjahr 2007 bin ich deshalb der Piratenpartei Deutschland beigetreten.

2. Frage:
Wann denken Sie haben Sie mit Ihrer Piratenpartei die FDP überholt?

Vor einigen Monaten hätte ich noch gesagt, wir haben noch ein paar Jährchen Arbeit vor uns. Mittlerweile ist die FDP soweit abgestürzt, dass es ausreichen würde, nicht mehr zu laufen, sondern Eis essend spazieren zu gehen und die Sonne zu genießen. Ich persönlich habe die FDP nie als unseren Hauptgegner gesehen. Viel ernstzunehmender sind CDU/CSU mit ihrem Sicherheitswahn, die SPD mit ihrer Unberechenbarkeit und vor allem die Grünen. Die Grünen sind für die Gesellschaft deswegen so gefährlich, weil es ihnen gelingt sich als stockkonservative Partei erfolgreich ein junges, politisch-korrektes Image zu geben. Erinnern wir uns, Bündnis 90 als Bürgerrechtsbewegung ging in den Grünen auf. Bürgerrechte werden von den Grünen aber schon lange nicht mehr vertreten, die Entwicklungen des Internets und die Digitalisierung der Gesellschaft werden von ihnen verteufelt, vergleichen sie hierzu die
Haltung zu Afghanistan, Streetview oder so unsinnige Vorschläge, wie Kulturflatrate.

3. Frage:
Was waren die Hauptregionalthemen die dem Wähler auf dem Herzen lagen?

Da müssen sie den Wähler fragen. 🙂

  • Wir leben Transparenz,
  • fordern den transparenten Staat,
  • setzen uns für ein modernes Urheberrecht ein, welches Wissen und Informationsaustausch fördert,
  • begleiten den Prozess der Transformation in die Informationsgesellschaft kritisch und bejahend und
  • möchten, dass Politik für den Bürger wieder interessant wird.

Speziell für Sachsen bedeutet dies, dass

  • wir ein Informationsfreiheitsgesetz einfordern,
  • wir uns über den demographischen Wandel Gedanken machen müssen, der Sachsen weit eher als die alten Bundesländern trifft,
  • wir unser Stammkapital, gutausgebildete und wissensdurstige Bürger, noch aufstocken und die Universitäts- und Forschungslandschaft ausbauen müssen.

4. Frage:
Gab es überregionale oder europäische Themen mit denen Sie die Wähler beeindrucken konnten?

Wichtigste Punkte überregional und europäisch sind zum einen die Sicherheitsdenke, die uns alle terrorisiert (Indect, Vorratsdatenspeicherung), die Chancen, die in der Demokratisierung durch das Internet stecken (hier als Stichworte: schneller, direkter und ungefilterter Zugang zu Informationen, Nachrichten jedweder Art, Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung der Bürger) und transparenter Staat statt gläserner Bürger (Stichworte: Elena, Vorratsdatenspeicherung, Zensus)

5. Frage:
Hat sich die Piratenpartei als Online-Partei schon verabschiedet oder ist es immer noch ein Thema?

Die Piratenpartei ist sehr stark online vertreten. Wir müssen jetzt aber zusehen, auch die offline-Kommunikation gut auszubauen und die Leute mitzunehmen, die nicht so netzaffin sind wie wir. Wie sehr wir von der Online-Welt abhängig sind, hat #servergate gezeigt, als die Staatsanwaltschaft in Darmstadt unsere Partei einen Tag direkt vor der Bremen-Wahl fast komplett lahmgelegt hat. Das die Piraten weiterhin bei den Netzthemen mitmischen zeigt die Spackeria-Diskussion, die im Umfeld der Piraten die Wertvorstellung Datenschutz hinterfragt.

6. Frage: Was sind die Hauptschwerpunkte der Piratenpartei und wie ist die Meinung zur Außen-, Bildungs- und Umweltpolitik?

Hauptschwerpunkte sind und bleiben die Immaterialgüterrechte, da mit diesen zur Zeit der Wandel zur Informationsgesellschaft zu bremsen versucht wird — und die digitalen Bürgerrechte, zum Beispiel das Recht auf freien Zugang zum Internet. Bildungspolitik ist eng damit verknüpft, wie wir mit Daten umgehen, ob wir es zulassen wollen, dass staatlich finanzierte, also vom Bürger finanzierte Datenerfassung und -verarbeitung, oder öffentlich geförderte wissenschaftliche Publikationen allen frei zugänglich gemacht oder durch Unternehmen monopolisiert werden.

Die Piratenpartei hat als einzige Partei erkannt, dass wenn wir in Deutschland auch zukünftig ganz vorn in der technologischen Entwicklung dabei sein wollen, wir Menschen brauchen, die mit der Informationsflut umzugehen gelernt haben und die wissen, dass geteiltes Wissen nicht halbiertes Wissen (Stichwort: Wikipedia) bedeutet.

Das Beispiel Opensource zeigt, dass nur so der Aufwand, allgemeine Informationen zu verarbeiten, reduziert werden kann. Dies ist zum Vorteil aller, da man darauf aufsetzend völlig neue Dienste oder Technologien entwickeln kann. Allein dadurch, dass jeder Mensch bei Openstreet-Map Kartenmaterial zusammentragen, aktualisieren und verbessern helfen kann, ist es möglich, Katastrophenhelfern bei ihren Rettungsaktionen einen Weg in die Krisenregionen zu weisen.

7. Frage:
Was sind Ihre Tagesaufgaben als Vorsitzender?

Kommunizieren, schlichten, kommunizieren, delegieren und kommunizieren 🙂

8. Frage:
Wie ist die Resonanz der Piratenpartei bei älteren Menschen? Gibt es auch Anstrengungen diese als Mitglieder zu gewinnen?

Unser Altersdurchschnitt liegt um die Ende 20 bis Anfang 30. Ob mein Opa mit seinen 91 Jahren repräsentativ ist, glaube ich nicht, aber er kennt und wählt die Piraten. Ich denke, dass wir noch nicht bei der älteren Generation angekommen sind. Diese sind mit ihrer Lebenserfahrung abgeklärter und wir ihnen vielleicht noch zu stürmisch und drängend. Der Hauptgrund dürfte aber der sein, dass wir uns genau aus den Leuten rekrutieren, die vom Wandel der Gesellschaft hin zum digitalen Informationszeitalter schon jetzt direkt betroffen sind. Hier müssen wir aufklären und auch in der Offline-Welt auf die Menschen zugehen.

9. Frage:
In welchen Themen grenzt sich die Piratenpartei von anderen Parteien ab?

Die anderen Parteien haben sich noch keine Gedanken gemacht, wohin die Reise geht.
Ich war letztens auf einer Podiumsdiskussion der JuSos. Dort erklärte mir ein SPD-Mitglied, welches als progressiv in seiner
Partei galt, dass die Verkürzung der Urheberschutzfrist von zur Zeit um die maximal 110 Jahre (70 Jahre nach Tod) auf 50 Jahre (wie dort vorgeschlagen) radikal wäre. Dazu muss man wissen, dass Werke in aller Regel 10 Jahre nach Entstehung wirtschaftlich verwertet sind, also danach im Normalfall nicht mehr verkauft werden. 50 Jahre in der Informatik, wo Programme oder Technologien mit 2 Jahren als veraltet gelten, ist das Archäologie.

Anderes Beispiel ist der Staatsvertrag zum Jugendschutz (JMStV). Dort wurde von Politikern eine Sendezeitbegrenzung gefordert. Das sind mehrere faux pas auf einmal, man verkennt, dass im Internet heute jeder Sender und Empfänger sein kann und es sich nicht um Rundfunk handelt, dass das Internet weltweit besteht und nicht eindeutig territorial abgrenzbar ist, dass es ein Spiegel der Gesellschaft ist und das eine Umsetzung der Forderung technisch nicht durchsetzbar ist, will man nicht alles sperren und abschalten.

Wir müssen uns als Gesellschaft die Frage stellen, wenn heute schon soviel möglich ist, was ist dann in 10 Jahren möglich? Wenn Kinder heute nicht mehr wissen, was Kasetten und Festnetztelefone sind, wenn heute Zeitungen und Nachrichtensender durch Twitter und Co. in ihrer Meinungsführerschaft aufgelöst werden, wenn heute alles mit allem und jeder mit jedem potentiell vernetzbar ist, dann brauchen wir heute Mitstreiter, die sich über eine Politik von heute, morgen und übermorgen Gedanken machen und nicht wie die etablierten Parteien von Wahl zu Wahl und von Geldbeutel zu Geldbeutel hecheln.

10. Frage:
Mit Blick in die Zukunft: Wo sehen Sie die Partei in 5 Jahren?

In den Köpfen der Menschen und in den Parlamenten.

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