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Offener Brief zur Versammlungsfreiheit in Sachsen an Herrn Holger Zastrow (FDP)

Sehr geehrter Herr Zastrow,

mit großer Enttäuschung musste ich heute lesen, dass Sie die vor gerade mal 20 Jahren mühsam erkämpfte Versammlungsfreiheit der Sachsen bereit sind auszuhöhlen, um, wie Sie sagen, unseren Ruf zu retten.

Ich möchte Sie fragen ob Sie als wehrhafter Demokrat am 17. Oktober 2009 in Leipzig vor Ort waren und sich selbst ein Bild von der Situation gemacht haben, oder ob Ihre Meinung nur auf Hörensagen beruht.

Die sächsischen Piraten haben in Leipzig gemeinsam mit Pfarrer Führer und einem breiten demokratischen Bündnis aus Bürgern, Parteien, Vereinen und Repräsentanten der Stadt an der friedlichen Demonstration gegen die rechtsextremistischen „Kameradschaften“ teilgenommen und haben als wehrhafte Demokraten dazu beigetragen, den Ruf der Sachsen und der Stadt Leipzig zu verteidigen.

Wo waren Sie?

In Ihrer Pressemitteilung äußern Sie sich wie folgt:

„Die empörenden Gewalttaten haben leider noch einmal gezeigt, wie notwendig eine Novellierung des Versammlungsrechts in Sachsen ist. Die bisherige Gesetzeslage reicht ganz offenbar nicht aus, Gewaltausbrüche von Extremisten bereits im Vorfeld zu verhindern.

Es gibt daher dringend Handlungsbedarf. Wir dürfen nicht einfach zusehen, wie gewaltbereite Extremisten den guten Ruf Sachsens und Dresdens in Geiselhaft nehmen. Zu einer wehrhaften Demokratie gehört es, solchen Leuten entschieden entgegenzutreten. Wir dürfen einem offenkundigen Missbrauch des Versammlungsrechts nicht tatenlos zuschauen.

Wir werden deshalb – in dem Rahmen, den uns das Grundgesetz vorgibt – alle rechtlichen Möglichkeiten nutzen, einem Missbrauch der Versammlungsfreiheit vorzubeugen. Wir müssen Sachsen und seine Einwohner vor gewalttätigen Extremisten schützen.“

Nein, Herr Zastrow, es gilt die Einwohner Sachsens vor Populisten zu schützen, die zwar vorgeben, sich als „wehrhafte Demokraten“ den Neonazis entgegen zu stellen,  es aber stattdessen vorziehen, das grundgesetzlich verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit der Bürger dieses Landes bis an die Grenze der Verfassungswidrigkeit einzuschränken.

Mit der von Ihnen geplanten Einschränkung der Bürgerrechte machen Sie sich zum Handlanger genau jener Feinde der Freiheit, die sie vorgeben bekämpfen zu wollen

Anstatt wegen ein paar gewalttätiger Extremisten die vor 20 Jahren von Hunderttausenden erkämpfte Versammlungsfreiheit anzutasten, täten Sie gut daran, auf Ihre Partei und Ihren Koalitionspartner dahingehend einzuwirken, dass Ihre und deren Repräsentanten die Bürger unseres Landes nicht weiter im Stich lassen, wenn es darum geht, gegen neonazistische Umtriebe Zivilcourage zu zeigen.

Solange CDU-Oberbürgermeister wie Frau Orosz aus Dresden sich lieber demonstrativ zum Gebet zurückziehen, während 6000 Neonazis durch ihre Stadt marschieren,  und  Politiker wie Sie, anstatt  Pfarrer Führer in Leipzig zu unterstützen lieber dessen Lebenswerk zerstören, werden Extremisten in diesem Land sich in ihrem Tun bestätigt fühlen.

Freiheit schützt man nicht, indem man sie abschafft, Herr Zastrow.

Ich fordere Sie daher auf, die Absicht die Versammlungsfreiheit in Sachsen einzuschränken jenen zu überlassen,  gegen die wir am Samstag so erfolgreich demonstriert haben.

Schließen Sie sich uns an, retten Sie den Ruf Sachsens, und kommen Sie mit ihren Parteifreunden am 13./14. Februar zum GehDenken nach Dresden.

Als freie Bürger in einem freien Land, denen das Grundgesetz und die Versammlungsfreiheit so wichtig sind, dass sie dafür gemeinsam  auf die Straße zu gehen bereit sind.

mit freundlichen Grüßen
Mirco da Silva
Vorsitzender der Piratenpartei  Sachsen

8 comments on “Offener Brief zur Versammlungsfreiheit in Sachsen an Herrn Holger Zastrow (FDP)

  1. Nur der Form halber… in der FDP (genau wie in CDU/CSU + Grüne) redet man über „Partei Freunde“ und in SDP/dieLinke sind es „Partei Genossen“. Alternativ bei allen „Kollegen“.

    Dies jeweils in unterschiedlich ausgeprägter Form Immer auch männlich+weiblich. (Parteigenossen und Parteigenossinnen, ParteigenossInnen etc. pp)

    Von der FDP etwas zu fordern und „ihren Parteigenossen“ zu verwenden ist eher kontraproduktiv.

    Grüße aus Bayern,
    Vali

  2. Abgesehen vom grundsaetzlichen Problem Versammlungsrechte einzuschraenken um Nazis am Marschieren zu hindern, fehlt in Sachsen nach wie vor die Bereitschaft sich vom Extremismubegriff zu trennen. Das gilt leider auch (noch) fuer GehDenken (obwohl da beim Demoaufruf 2009 ein Ansatz zum Umdenken zu sehen war). Zastrow meint nicht nur Nazis wenn der „Extremisten“ sagt, sondern auch Linke bzw. alle die nicht die „Mitte“ sind. Das ist die andere Haelfte dieses Skandals.

    Also, liebe Piraten in Sachsen beschaeftigt euch doch bitte auch mal damit. Immerhin sitzt in Dresden das Hannah Arendt Institut fuer Totalitarismusforschung (HAIT) mit den Herren Jesse und Backes, die beide grosse Fans der Extremismustheorie sind. Leider schlaegt sich diese auch in der saechsischen Landespolitik nieder, siehe die Aussage von Zastrow oder den Koalitionsvertrag.

    Infos gibt’s bei der Initiative gegen jeden Extremismusbegriff (INEX):

    inex.blogsport.de/

    oder auch hier:

    freibaerger.org/2009/06/gedenkkultur-in-deutschland/

    Turtle, Pirat und Exil-Sachse

  3. OT, aber dennoch gut:

    Im verlinkten Text (freibaerger.org/2009/06/gedenkkultur-in-deutschland/) taucht folgende Passage auf

    Die CDU verspricht in ihrem offenen Brief auch in diesem Jahr wieder Flagge zu zeigen durch ein Banner am Zwinger mit dem Spruch “Wer die Opfer missbraucht, wird selbst zum Täter”.

    Warum mußte ich dabei nur direkt an Zensursula denken…?

  4. Sehr geehrter Herr da Silva,

    Sie schreiben in einem Brief an Herrn Zastrow:“ Freiheit schützt man nicht, in dem man sie abschafft“! Aber in einem Atemzug wollen Sie diese Freiheit abschaffen, oder nur für ihre Zwecke gebrauchen.

    Unter Meinungsfreiheit verstehe ich aber, daß man jede Meinung frei äußern kann, auch wenn sie nicht populär ist. Sie wollen aber einzelnen Personen oder Personengruppen absprechen, daß sie ihre Meinung frei äußern dürfen, oder dafür sogar auf die Straße gehen!

    Als die angemeldete und genehmigte Demonstration der JN in Leipzig unter dem Motto „Recht auf Zukunft“ durchgeführt werden sollte, war doch von vorn herein, seitens der Polizeiführung, schon abgesprochen wurden, daß sich die zumeist jungen Teilnehmer der Demonstration, egal ob sie nun friedlich oder nicht friedlich sind, keinen Meter bewegen dürfen.

    Nun kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung darüber sein und wenn ihre Partei, was ich bisher leider nicht gewusst habe, eine reine linke Partei ist, dann kann ich Sie ein Stück weit verstehen, daß Sie sich natürlich darüber gefreut haben, aber mit Meinungsfreiheit und Demokratie hat dies absolut nichts zu tun, dies müßen Sie doch selber einräumen.

    Genauso verhält es sich doch mit dem Trauermarsch der JLO am 13. Februar in Dresden.

    Es ist das demokratische Recht linker und „bürgerlicher“ Gruppen, daß sie ihren Unmut dagegen friedlich zum Austruck bringen können, genauso wie es das demokratische Recht der nationalen Opposition ist, an diesem Tag der Toten von Dresden in Ruhe und friedlich zu gedenken.

    Nun werden Sie sicher behaupten,(weil Ihnen sonst kein anderes Argument einfällt)
    daß es aus dem Trauerzug immer wieder zu Gewalttaten gekommen ist, was ich aber energisch bestreite.

    Ich gehe davon aus, daß auch 2010 der Trauermarsch der JLO friedlich durchgeführt werden kann, dies muß eine wahrhafte Demokratie aushalten.

    Freiheit schützt man nicht in dem man sie abschafft!!!

    Mit freundlichen Grüßen

    Rene Despang

  5. Nazis raus!

  6. Sehr geehrter Herr Despang,
    gehen Sie doch kurz in sich und verraten Sie mir dann, wie eine Partei, die die Demokratie als höchstes Gut der Gemeinschaft der Menschen und das Grundgesetz als Basis dieser Demokratie ansieht, wie eine Partei, die sich für Toleranz und Chancengleichheit einsetzt, anders mit politischen Organisationen umgehen soll, die Menschen nach Aussehen, sexueller Orientierung, körperlicher Gesundheit oder Herkunft in „Gut“ und „Schlecht“ enteilen, die das Grundgesetz als nicht existent ansehen und die Demokratie durch ein totalitäres System ersetzen möchten? Unsere Meinungsfreiheit ist nicht die Ihre, denn Meinungsfreiheit hört selbstverständlich dort auf, wo sie Menschen ausgrenzt, verletzt und deren Würde verletzt.

  7. Ich bitte Euch liebe Sachsen-Piraten von dem Pfarrer Führer Abstand zu nehmen und ihn hier nicht in ein positives Licht zurücken. Er selbst, als evanglikaler Christ, ist gegen Bürgerrechte, Selbstbestimmung und die Freiheit. Er tarnt es nur als Kampf gegen links und rechts, um sein verqueres christliches Weltbild zu verbreiten.

    Jolly, der humanistische Mitpirat

    (unter dem Name in der Wiki)

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