Advent, Advent, ein Lichtlein brennt – die Weihnachtszeit ist da. Adventskalender mit Schokolade, Gummibärchen, Schönheitsprodukten oder gar Sexspielzeug bekommt man mittlerweile überall. Aber einen politischen Adventskalender gibt es nur bei uns! Jeden Tag machen wir ein Türchen auf blicken auf das Jahr 2019 in all seiner politischen Vielfalt zurück: Polizeigesetz, SaveYourInternet, CSD und vieles mehr erwarten euch. Nicht zu jedem Tag wird es einen umfangreichen Blogbeitrag wie diesen hier geben, aber für alle anderen Türchen könnt ihr uns einfach auf unseren Social Media Kanälen auf Twitter, Facebook oder Instagram folgen.
Am 01.01.2020 wird das neue Sächsiche Polizeigesetz von CDU und SPD in Kraft treten.
Obwohl in der polizeilichen Kriminalstatistik ein Rückgang von Straftaten zu verzeichnen ist, werden die Befugnisse zur Überwachung der Telekommunikation ausgeweitet und die Videoüberwachung ganzer Innenstädte ermöglicht.
Dazu werden im Polizeigesetz der Gefahrenbegriff aufgeweicht und die Eingriffsvoraussetzungen massiv gesenkt. Die Polizei erhält Kompetenzen, um vorausschauend Kriminalität zu verhindern, für deren Begehung es noch keine konkreten Hinweise gibt.
Welche Veränderungen kommen mit dem Polizeigesetz denn im Einzelnen auf uns zu?
Die Polizei kann Maßnahmen gegen sogenannte Gefährder (sic!) sowie deren Kontakt- und Begleitpersonen ergreifen. Dies umfasst bereits entfernte Bekannte, Verwandte oder Nachbarn, welche nur flüchtig in Kontakt zu solchen Personen stehen, von denen die Polizei davon ausgeht, dass diese eine Straftat planen könnten. Des Weiteren werden Zugriffsschwellen herabgesetzt und die vorsorgliche Telekommunikationsüberwachung eingeführt. Auch eine Aufrüstung und Militarisierung der Polizei wird vollzogen, beispielsweise durch die Genehmigung zum Einsatz von Sprengmitteln und Maschinenpistolen.
Zusätzlich wird es eine 30 Kilometer ins Landesinnere reichende Kontrollzone entlang der Tschechischen und Polnischen Grenze Sachsens geben, in der automatische Gesichts- und Kennzeichenerkennung dauerhaft erlaubt sein werden. Zur Veranschaulichung haben die Hochschulpiraten Dresden eine Karte veröffentlicht, welche die Ausmaße dieser „Überwachungszone“ verbildlicht. Auch wenn manche Politiker anfangs von „30% der Sächsischen Landesfläche“ sprachen, wurde durch diese Visualisierung schnell klar, dass es sich um 50% Sachsens handelt. Auch Teile Dresdens sind davon betroffen, so z.B. das komplette Campusgelände der Technischen Universität Dresdens.
Das Bündnis „Sachsens Demokratie“ begann schon im Frühjahr 2018 damit, sich aktiv gegen diesen Gesetzesvorschlag zu engagieren. Kurz darauf kam es zu der Gründung eines landesweiten Bündnisses „Polizeigesetz Stoppen!„, in welchem sich auch die Piraten Sachsen aktiv beteiligten. Es wurde eine landesweite Aufklärungskampagne gegen die tiefgreifenden Folgen des neuen Polizeigesetzes begonnen, an der sich Gruppen sowie auch Einzelpersonen beteiligten. Mehrere Aktionswochen gegen den Gesetzesvorschlag wurden durchgeführt. Eine davon vom 10. bis zum 18. November 2018, an der sich viele Gruppen beteiligten. In dieser Woche fand auch eine öffentliche Anhörung zum neuen Polizeigesetz im sächsischen Landtag statt, welche vor und auch im Landtag von kreativen Protesten begleitet wurde.
Von den Zuschauerplätzen im Landtag wurde ein Protest-Schriftzug gezeigt, während vor dem Landtag ein übergroßes Polizeimonster bewaffnet mit Maschinengewehr und Handgranaten Passant·innen jagte. Unter der Woche kam es auch zu Flashmobs in Form von gestellten Polizeikontrollen, um die neuen Befugnisse der Polizei zu veranschaulichen.
Den Höhepunkt hatte die Aktionswoche am 17.11. mit einer Großdemonstration, für welche Menschen aus ganz Sachsen angereist waren. Schätzungen zufolge gab es 5000 bis 8000 Teilnehmer·innen. Neben dieser gab es auch noch zwei weitere Großdemonstrationen, am 26. Januar und am 08. April 2019. Da die vorher erwähnte Expertenanhörung im Landtag von Polizeifunktionären dominiert und damit nicht neutral war, veranstaltete das Bündnis selbst eine am 19. Januar im Volkshaus Dresden. Die Aufzeichnung davon gibt es heute noch auf der Youtube-Seite des Bündnisses.
Auf der abschließenden Demonstration am 08. April 2019 wurden hunderte (biologisch abbaubare) Luftballons mit der Aufschrift „Polizeigesetz zum Platzen bringen“ verteilt und am Ende gemeinsam zum Platzen gebracht.
Doch leider haben alle Bemühungen nicht geholfen und das Gesetz wurde 2 Tage später, am 10. April, trotz aller Gegenstimmen verabschiedet. Direkt nach der Verabschiedung gab es einen Trauermarsch vor dem Landtagsgebäude, während dessen die Grund- und Freiheitsrechte symbolisch zu Grabe getragen wurden.
Wir danken allen Menschen, die sich auf welche Art auch immer gegen das Gesetz eingesetzt haben – und weiterhin einsetzen werden!
Wurde schon ein Volksbegehren dagegen in Betracht gezogen?
Wir wollten zuerst schauen, ob es möglich ist, verfassungsrechtlich dagegen vorzugehen, was die stärkere Aktion wäre. Leider ist uns das als nicht im Landtag vertretene Partei nicht wirklich möglich. Allerdings haben hier Linke und Grüne zum Glück etwas unternommen: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/normenkontrollantrag-polizeigesetz-sachsen-angriff-buergerrechte/
Sollte das keine Früchte tragen, werden wir weitere Schritte, vielleicht auch ein Volksbegehren, in Betracht ziehen.