Ein Kommentar von Manuel Wolf
Mücken nerven Leute, gestern, morgen, heute. Sss-Sss-Sss, auf der Suche nach Beute.
Und mittlerweile hat sich eine neue Nerven(stich)säge im sächsischen Raum niedergelassen, die schwarzweiß gestreifte Asiatische Tigermücke. Wie der Name schon sagt, kommt diese Mückenart ursprünglich aus Asien, kam über den internationalen Handel in den 70ern und 80ern nach Südeuropa und fühlt sich mittlerweile auch in Mittel- bis Nordeuropa pudelwohl. Offensichtlich findet die Tigermücke hier mittlerweile Lebensbedingungen an, die es vor ein paar Jahrzehnten so noch nicht gab. Klimawandel und so, aber dazu später mehr.
Die Tigermücke jedenfalls gehört zur Gattung der Stechmücken, hat sich auf Menschen als Beutetier spezialisiert und ist potentielle Überträgerin diverser Krankheiten: Zika, Nil-Fieber, Dengue, Chikungunya usw. Aus diesem Grund reagieren nun mehrere Landkreise und Gemeinden mit Maßnahmen, um die Ausbreitung der Art einzudämmen.
Die Zauberformel lautet Bti, ausgeschrieben Bacillus thuringiensis israelensis. Simpel erklärt handelt es sich dabei um von Bakterien produzierte Eiweißkristalle, welche die Larven der Mücke abtöten. Da bisherige Forschungen keine Auswirkungen von BTI auf den Menschen oder die Pflanzenwelt festgestellt haben, gilt das Mittel als schonend.
Alles prima, sozusagen, einen Haken hat die Sache dann aber doch. Denn Bti tötet nicht nur die Tigermücke, sondern hat eine Breitbandwirkung gegen alle Arten der sogenannten Zweiflügler, zu denen eben auch eine Menge für den Menschen harmloser Insekten gehören.
Genau da beginnen dann die Probleme, denn diese Insekten sind Teile empfindlicher Ökokreisläufe. Sie sind beispielsweise ein wichtiger Nahrungsbestandteil für andere Insekten, Spinnen, Amphibien, Fische, Echsen, Vögel und kleinere Säugetiere. Andere ernähren sich wiederum selbst von solchen Insekten, die wir als Schädlinge oder Parasiten betrachten. Viele von ihnen bestäuben Pflanzen, andere leben im Erdreich und kultivieren so den Boden. Auch die Beseitigung von Aas oder Totholz fällt einigen Arten zu, wodurch sie die Ausbreitung von Krankheiten sogar verhindern. Mit dem Abtöten der Zweiflügler bringt der Mensch diese fragilen Ökosysteme aus der Balance, weshalb die Nutzung des Bti-Wirkstoffs durchaus hinterfragt werden sollte.
Unklar ist auch der tatsächliche Nutzen. Zwar kann die Tigermücke potentiell Krankheiten verbreiten, aber dazu muss sie erst einmal einen mit diesen Viren infizierten Menschen anzapfen. Die von ihr übertragbaren Krankheiten sind in unseren Breiten jedoch aktuell gar nicht beheimatet. Solange ist ihr Stich einfach „nur“ ein Stich, er juckt und wird rot, ist aber grundsätzlich harmlos. Nun ist Vorsicht natürlich besser als Nachsicht, aber rechtfertigt das geringe Risiko einen solchen Eingriff in biologische Systeme?
Wollte man die Bevölkerung vor der Ansteckung dieser Tropenkrankheiten schützen, wäre es mindestens genauso sinnvoll, wenn nicht sogar wichtiger, medizinische Aufklärung zu betreiben. Denn gegen viele der von der Mücke übertragbaren Viren gibt es bereits heute Impfungen, weitere Vorsorge- und Heilmittel werden aufgrund der steigenden Ausbreitung der Überträger kontinuierlich erforscht und entwickelt. Und, so blöd es klingt, es benötigt Aufklärung darüber, wie man sich eigenverantwortlich vor Mückenstichen schützen kann, sowohl zuhause als auch unterwegs.
Bewusst machen müssen wir uns an dieser Stelle auch, dass die Ausbreitung der Tigermücke nur ein Symptom eines größeren Übels ist. Erst durch die in den letzten Jahrzehnten angestiegenen Temperaturen im Rahmen des Klimawandels ist dies möglich geworden. Gehen wir diese Herausforderung nicht endlich mit entsprechender Ernsthaftigkeit an, wird die Ausbreitung solcher invasiver und für den Menschen potentiell gefährlicher Arten weiter zunehmen, während der Lebensraum anderer Tier- und Pflanzenarten Stück für Stück verloren geht. Der durch das Ungleichgewicht der regionalen Ökosysteme folgende Domino-Effekt ist aktuell noch gar nicht abschätzbar.
Genau aus diesem Grund ist beim Einsatz von Bti – bzw. bei jeglichem Eingreifen in die Natur – das gesamte Ökosystem zu betrachten und nicht nur das einzelne Puzzleteil, in diesem Fall die Tigermücke. Das gilt besonders, je umfangreicher die eingesetzten Maßnahmen sind. In Sachsen wird unseres Wissens nach bisher nur kleinflächig gegen die Tigermücke vorgegangen, in anderen Regionen Deutschlands und Europas werden allerdings zum Teil seit den 1980er Jahren ganze Landstriche regelmäßig großflächig mit Bti behandelt, und das „nur“ zur Eindämmung der heimischen Stechmücken.
Zum Abschluss noch ein kleiner Treppenwitz zur Insektenbekämpfung in der Agrarindustrie. Ebenfalls seit den 80ern wird Bti in der industriellen Landwirtschaft genutzt, um die ein oder andere Zweiflügler-Art von Mais und anderen Feldfrüchten fernzuhalten. Witz 1: Dabei tötet man auch die Zweiflügler, welche das Feld normalerweise bestäuben. Witz 2: Durch Düngen gedeihen die Mückenpopulationen in feldnahen Gewässern durch die hohe Nährstoffkonzentration besonders gut. Ein ewiger Kreis des Gift- und Scheiße-Sprühens.
Und warum das alles? Darum: Mücken nerven Leute, gestern, morgen, heute. Sss-Sss-Sss, auf der Suche nach Beute.
Ein Kommentar von Manuel Wolf
Mücken nerven Leute, gestern, morgen, heute. Sss-Sss-Sss, auf der Suche nach Beute.
Und mittlerweile hat sich eine neue Nerven(stich)säge im sächsischen Raum niedergelassen, die schwarzweiß gestreifte Asiatische Tigermücke. Wie der Name schon sagt, kommt diese Mückenart ursprünglich aus Asien, kam über den internationalen Handel in den 70ern und 80ern nach Südeuropa und fühlt sich mittlerweile auch in Mittel- bis Nordeuropa pudelwohl. Offensichtlich findet die Tigermücke hier mittlerweile Lebensbedingungen an, die es vor ein paar Jahrzehnten so noch nicht gab. Klimawandel und so, aber dazu später mehr.
Die Tigermücke jedenfalls gehört zur Gattung der Stechmücken, hat sich auf Menschen als Beutetier spezialisiert und ist potentielle Überträgerin diverser Krankheiten: Zika, Nil-Fieber, Dengue, Chikungunya usw. Aus diesem Grund reagieren nun mehrere Landkreise und Gemeinden mit Maßnahmen, um die Ausbreitung der Art einzudämmen.
Die Zauberformel lautet Bti, ausgeschrieben Bacillus thuringiensis israelensis. Simpel erklärt handelt es sich dabei um von Bakterien produzierte Eiweißkristalle, welche die Larven der Mücke abtöten. Da bisherige Forschungen keine Auswirkungen von BTI auf den Menschen oder die Pflanzenwelt festgestellt haben, gilt das Mittel als schonend.
Alles prima, sozusagen, einen Haken hat die Sache dann aber doch. Denn Bti tötet nicht nur die Tigermücke, sondern hat eine Breitbandwirkung gegen alle Arten der sogenannten Zweiflügler, zu denen eben auch eine Menge für den Menschen harmloser Insekten gehören.
Genau da beginnen dann die Probleme, denn diese Insekten sind Teile empfindlicher Ökokreisläufe. Sie sind beispielsweise ein wichtiger Nahrungsbestandteil für andere Insekten, Spinnen, Amphibien, Fische, Echsen, Vögel und kleinere Säugetiere. Andere ernähren sich wiederum selbst von solchen Insekten, die wir als Schädlinge oder Parasiten betrachten. Viele von ihnen bestäuben Pflanzen, andere leben im Erdreich und kultivieren so den Boden. Auch die Beseitigung von Aas oder Totholz fällt einigen Arten zu, wodurch sie die Ausbreitung von Krankheiten sogar verhindern. Mit dem Abtöten der Zweiflügler bringt der Mensch diese fragilen Ökosysteme aus der Balance, weshalb die Nutzung des Bti-Wirkstoffs durchaus hinterfragt werden sollte.
Unklar ist auch der tatsächliche Nutzen. Zwar kann die Tigermücke potentiell Krankheiten verbreiten, aber dazu muss sie erst einmal einen mit diesen Viren infizierten Menschen anzapfen. Die von ihr übertragbaren Krankheiten sind in unseren Breiten jedoch aktuell gar nicht beheimatet. Solange ist ihr Stich einfach „nur“ ein Stich, er juckt und wird rot, ist aber grundsätzlich harmlos. Nun ist Vorsicht natürlich besser als Nachsicht, aber rechtfertigt das geringe Risiko einen solchen Eingriff in biologische Systeme?
Wollte man die Bevölkerung vor der Ansteckung dieser Tropenkrankheiten schützen, wäre es mindestens genauso sinnvoll, wenn nicht sogar wichtiger, medizinische Aufklärung zu betreiben. Denn gegen viele der von der Mücke übertragbaren Viren gibt es bereits heute Impfungen, weitere Vorsorge- und Heilmittel werden aufgrund der steigenden Ausbreitung der Überträger kontinuierlich erforscht und entwickelt. Und, so blöd es klingt, es benötigt Aufklärung darüber, wie man sich eigenverantwortlich vor Mückenstichen schützen kann, sowohl zuhause als auch unterwegs.
Bewusst machen müssen wir uns an dieser Stelle auch, dass die Ausbreitung der Tigermücke nur ein Symptom eines größeren Übels ist. Erst durch die in den letzten Jahrzehnten angestiegenen Temperaturen im Rahmen des Klimawandels ist dies möglich geworden. Gehen wir diese Herausforderung nicht endlich mit entsprechender Ernsthaftigkeit an, wird die Ausbreitung solcher invasiver und für den Menschen potentiell gefährlicher Arten weiter zunehmen, während der Lebensraum anderer Tier- und Pflanzenarten Stück für Stück verloren geht. Der durch das Ungleichgewicht der regionalen Ökosysteme folgende Domino-Effekt ist aktuell noch gar nicht abschätzbar.
Genau aus diesem Grund ist beim Einsatz von Bti – bzw. bei jeglichem Eingreifen in die Natur – das gesamte Ökosystem zu betrachten und nicht nur das einzelne Puzzleteil, in diesem Fall die Tigermücke. Das gilt besonders, je umfangreicher die eingesetzten Maßnahmen sind. In Sachsen wird unseres Wissens nach bisher nur kleinflächig gegen die Tigermücke vorgegangen, in anderen Regionen Deutschlands und Europas werden allerdings zum Teil seit den 1980er Jahren ganze Landstriche regelmäßig großflächig mit Bti behandelt, und das „nur“ zur Eindämmung der heimischen Stechmücken.
Zum Abschluss noch ein kleiner Treppenwitz zur Insektenbekämpfung in der Agrarindustrie. Ebenfalls seit den 80ern wird Bti in der industriellen Landwirtschaft genutzt, um die ein oder andere Zweiflügler-Art von Mais und anderen Feldfrüchten fernzuhalten. Witz 1: Dabei tötet man auch die Zweiflügler, welche das Feld normalerweise bestäuben. Witz 2: Durch Düngen gedeihen die Mückenpopulationen in feldnahen Gewässern durch die hohe Nährstoffkonzentration besonders gut. Ein ewiger Kreis des Gift- und Scheiße-Sprühens.
Und warum das alles? Darum: Mücken nerven Leute, gestern, morgen, heute. Sss-Sss-Sss, auf der Suche nach Beute.