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Position der Piratenpartei zu politischen Fragen

Telemedicus hat den im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien mehrere Fragen zu ihren medienpolitischen Grundsatzpositionen gestellt. Hier werden die Positionen der PIRATENPARTEI vorgestellt.


Hält Ihre Partei die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten – auch in der derzeitigen technischen Umsetzung – für sinnvoll? Sollten Internetsperren zukünftig auch bei anderen Rechtsverletzungen, wie zum Beispiel solchen im Urheberrecht zum Einsatz kommen?

PIRATENPARTEI: Nein, eine Bekämpfung von kinderpornografischen Angeboten im Internet muss allein mit rechtsstaatlichen Mitteln erfolgen. Internetsperren werden weder rechtsstaatlichen Anforderungen gerecht, noch den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit und voraussichtlich nicht einmal denen der Zuständigkeit. Darüber hinaus ist das Gesetz zur Bekämpfung von kinderpornografischen Angeboten im Internet unwirksam und sogar kontraproduktiv. Eine Rechtsverfolgung muss grundsätzlich am Ursprung beginnen, also beim Content Provider.

Wir lehnen Internetsperren als Maßnahme der vorbeugenden Strafverfolgung generell ab, da sie ein Mittel der Zensur darstellen, das nach dem Grundgesetz keinesfalls zu den rechtmäßigen Mitteln der Strafverfolgung zählt. Wir setzen uns entschieden für eine wirksame Bekämpfung von kinderpornografischen Angeboten im Internet ein. Man muss sich aber klarmachen, dass „gesperrte” Inhalte ja nicht aus dem Netz entfernt werden, sie werden nur ausgeblendet. Von versierten Internetnutzern können sie jederzeit eingesehen werden und durch die Sperrlisten können sie sogar noch einfacher gefunden werden. Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten sollten schleunigst komplett aus dem Netz entfernt werden. […]*


Alvar Freude vom „AK Zensur” hat Provider angeschrieben, auf deren Servern Internetseiten gehostet waren, die sich auf den Sperrlisten befinden. Innerhalb der ersten 12 Stunden waren bereits 60 der Seiten schon offline. Wohlgemerkt auf das einfache Anschreiben eines aufmerksamen Bürgers hin. Warum können das BKA und Frau von der Leyen das nicht? […]*


Internetsperren stellen generell eine Maßnahme dar, die wir […]* auch bei anderen Rechtsverletzungen ablehnen. […]*


Welche Änderungen hält Ihre Partei am aktuellen Haftungsmodell des Telemedienrechtes für sinnvoll?

PIRATENPARTEI: Es gibt leider in Deutschland eine Tendenz, dass Gerichte Inhalte, die Dritte auf einer Webseite eingestellt haben, (beispielsweise Forenbeiträge, hochgeladene Videos, etc.) als eigene Inhalte des Providers ansehen und ihm deshalb die volle Haftung für diese Inhalte aufbürden. Dieser strenge Haftungsmaßstab widerspricht der eigentlichen Intention des Gesetzes, neue Geschäftsmodelle zu ermöglichen. Wir plädieren dafür, dass man als Anbieter von Internetseiten strikt erst ab Kenntnis für Rechtsverletzungen haftet („notice and take down”). In Amerika hat sich dieser Rechtsgrundsatz bewährt und ermöglicht viele moderne Geschäftsmodelle wie Youtube u. Ä.

Es muß vorrangiges Ziel sein, die rechtliche Gesamtsituation inkl. des Haftungsmodells des Telemediengesetzes so zu reformieren, dass eindeutige und verständliche Rechtsgrundlagen für alle Arten von Providern vor allem hinsichtlich der Haftung für von Nutzer generierten Inhalten (Foren, Gästebücher etc.) geschaffen werden. Die Umgehung des zu schaffenden Haftungsmodells muß dabei ausgeschlossen werden (z.B. Ausschluß der Mitstörerhaftung).


Hält Ihre Partei die aktuellen Impressumspflichten für ausreichend und sachgerecht? Für welche Änderungen setzen Sie sich ein?

PIRATENPARTEI: Die Impressumspflichten behindern in der aktuellen Form vor allem kleinere Anbieter, die teilweise unter erheblicher Rechtsunsicherheit agieren müssen. Der Gesetzgeber war sich nicht sicher, und hat sich so unscharf ausgedrückt, dass die Gerichte wieder einmal durch Präzedenzfälle das eigentliche Recht formulieren mussten und noch müssen. Die Abmahnwellen im Internet in den letzten Jahren, wo aus Abmahnungen ein regelrechter Geschäftszweig der Anwaltsbranche wurde, zeigen deutlich, dass die aktuelle Regierung und die Gerichte das Internet nicht verstanden haben.

Da die Piratenpartei für die Regelung von Impressumspflichten keine Position ausformuliert hat, können wir keine konkreten Änderungen versprechen – aber Sie können sicher sein, dass in der Piratenpartei Menschen sind, die das Internet verstanden haben und dass wir uns grundsätzlich für Chancengleichheit und eine Stärkung der lokalen Internetwirtschaft einsetzen.


Welche Maßnahmen sieht Ihre Partei vor, um Verbraucher wirksam gegen „Abofallen“ zu schützen?

PIRATENPARTEI: Um den Verbraucher vor zweifelhaften bzw. erfundenen telefonischen „Vertragsabschlüssen“ zu schützen, sieht die Piratenpartei als einen ersten Schritt das Verbot des Handels mit Verbraucherdaten (Stichwort: Listenprivileg). So gelangen Call-Center erst gar nicht an die Daten zur Kontaktaufnahme. Damit werden gleichzeitig die als äußerst lästig empfundenen Werbeanrufe eingedämmt.

Soweit Verträge für „Abofallen” per Internet angebahnt werden, sind diese wegen Verstoßes gegen AGB-Recht zumeist rechtlich unwirksam.

Hierüber sollte der Verbraucher vermehrt aufgeklärt werden. Auch ist zu prüfen, ob Rechtsanwaltskosten, die bei der Beratung des zu unrecht zur Zahlung aufgeforderten Verbrauchers anfallen, im Rahmen einer Schadensersatzpflicht vom Anbieter der Abofalle zu ersetzen sind. Das damit verbundene erhöhte Kostenrisiko macht Abofallen weniger attraktiv.

Eventuell kann auch das Wettbewerbsrecht zur Lösung beitragen. Eine ausführliche Auseinandersetzung zu diesem Thema hat parteiintern jedoch noch nicht stattgefunden.


Wie steht Ihre Partei zu der Idee von „Kulturflatrates“?

PIRATENPARTEI: Prinzipiell lehnen wir die Kulturflatrate als untaugliches Mittel ab.

Wir sehen das Problem der Vergütung vorrangig in der Notwendigkeit eines Wandels der Geschäftsmodelle der Verwertungsindustrie begründet. Mit dem Internet und anderen Techniken neuer Medien haben „Kulturarbeiter” erstmals die Kontrolle über ihre eigenen Produktionsmittel. Die Krise ist also nicht eine der Urheber sondern eine der Verwertungsindustrie.

Eine staatliche Kompensation dieser Industrie lässt sich in unseren Augen vor der Gesellschaft nicht rechtfertigen. Unsere bisherige Beschäftigung mit diesem Thema lässt uns zu dem begründeten Urteil kommen, dass Urheber auch ohne Kulturflatrate ihre Werke mit marktwirtschaftlichen Mitteln erfolgreich verwerten werden können.

Die Haltung der Konzerne, die den Urhebern zurufen „wir wollen ein stärkeres Urheberrecht um euch zu schützen” ist verlogen und scheinheilig. Die denken nur an ihren eigenen Geldbeutel und werden auch versuchen, sich von einer Kulturflatrate den Löwenanteil zu sichern. Das Pauschalabgabensystem besteht allerdings momentan nun einmal und auch die Piratenpartei wird es nicht sofort beliebig umkrempeln können. Daher sind wir aber auch gesprächsbereit bezüglich „Kulturflatrate”. Wir gestalten eine solche natürlich gerne mit, sollte sie kommen. Wir können uns sehr viele Verbesserungen an dem aktuell sehr intransparenten und auch von vielen Künstlern kritisierten System der Verwertungsgesellschaften vorstellen. Diese Änderungen sollten einen möglichst fairen Ausgleich zwischen Urheber und Konsument ermöglichen unter Minimierung der Beiteiligung der derzeitigen Rechteindustrie und eines bürokratischen Wasserkopfs der Verwertungsgesellschaften.


In welchen Bereichen des deutschen und europäischen Urheberrechts sieht Ihre Partei konkreten Reformbedarf?

PIRATENPARTEI: Die Privatkopie als Schranke des Urheberrechts muss (wieder) gestärkt werden werden.

Insbesondere muss das Recht auf Privatkopie auch bei kopiergeschützten Werken durchsetzbar sein. Das Verbot der Umgehung von Kopierschutz muss rückgängig gemacht werden. Es hat sich gezeigt, dass diese Technologie eine Fehlinvestition der Verwertungsindustrie war und nicht funktionierte. Dann sollte sie durch entsprechende von den Lobbyisten der Verwertungsindustrie eingebrachte Gesetze doch durchgesetzt werden.

Da aber die (legale) Möglichkeit besteht, kopiergeschützte digitale Inhalte einfach analog zu kopieren (die sogenannte „analoge Lücke“) und eine Kriminalisierung und Gängelung der eigenen Kundschaft nicht funktionieren kann, kommt die Verwertungsindustrie mittlerweile von selber schon wieder davon ab, Kopierschutz zu verwenden und die entsprechenden Gesetze sind mehr als überflüssig geworden.

Die Schutzfristen für das Urheberrecht (Verwertungsrechte) sind deutlich zu lang.

Von staatlichen Stellen erstellte oder bezahlte Werke müssen den Bürgern frei zur Verfügung stehen.

Alternative Nutzungsformen (freie Lizenzen) werden aktuell behindert statt gefördert.

Die Archivierung (z.B. in Bibliotheken), die Verfügbarkeit für spätere Generationen und die Wissensverbreitung allgemein werden aktuell behindert statt gefördert.


Wie möchte Ihre Partei datenschutzrechtlich mit Adresshandel umgehen? Halten Sie zum Beispiel das „Listenprivileg” im Datenschutzrecht für gerechtfertigt?

PIRATENPARTEI: Das Listenprivileg ist eine nicht zu rechtfertigende Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts und muss umgehend abgeschafft werden. Bestehende Datenschutzgesetze müssen konsequenter umgesetzt werden und insbesondere auch vorhandene Bußgeld und Strafvorschriften öfter angewandt werden.


„Soziale Netzwerke” im Internet spielen im täglichen Leben von Kindern und Jugendlichen eine immer größere Rolle. Wie will Ihre Partei in Anbetracht dessen die Medienkompetenz in der Bundesrepublik verbessern?

PIRATENPARTEI: Zum Einen würde sich die Situation auch unabhängig von der Medienkompetenz der Nutzer verbessern, wenn Soziale Netzwerke den Datenschutz besser berücksichtigen müssten. Oder die Nutzungsbedingungen bei „social networks” nicht einfach ohne Mitspracherecht der Nutzer geändert werden dürften.

Zum Anderen: Medienkompetenz muss schon in der Schule vermittelt werden. Lehrer müssen in diesem Bereich ausgebildet werden. Das Internet sollte weder als „rechtsfreier Sündenpfuhl” verteufelt werden noch sollte es vergöttert werden. Es ist ein gewaltiger Fortschritt, der in etwa mit der Erfindung des Buchdrucks vergleichbar ist. Dadurch wurde der damals vorrangig vorherrschende Analphabetismus beseitigt, aber es wurde auch möglich, Hetzschriften oder Pornografie zu veröffentlichen. Trotzdem hat sich doch eine Medienkompetenz bei Printmedien entwickelt. Man darf nicht vergessen, dass Kinder heutzutage mit dem Medium Internet groß werden, während die meisten von uns „Älteren“ frühestens als Jugendliche damit in Berührung kamen.


Die Antworten der PIRATENPARTEI wurden Telemedicus am 04. Juli 2009 vom damaligen politischen Geschäftsführer, Herrn Bernhard Schillo, vorgelegt. Unsere Fragen hatten wir zuvor mit Bitte um Beantwortung bzw. entsprechende interne Weiterleitung am 19. Mai 2009 an die Geschäftsstelle der PIRATENPARTEI geschickt. Nachdem wir daraufhin von dort trotz mehrfacher Nachfrage keine Reaktion erhalten hatten, haben wir uns über den damaligen Parteivize, Herrn Jens Seipenbusch, Mitte Juni direkt an den Parteivorstand gewandt.

*) An diesen Stellen wurde die Antwort gekürzt, darüber hinaus hat keine redaktionelle Bearbeitung stattgefunden.

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