Unser Kommentar zum SPD Parteikonvent am 20.06.
Als Landesvorsitzender einer Partei, bei der gefühlt 110% aller Entscheidungen basisdemokratisch getroffen werden, kenne ich die Probleme, die entstehen, wenn man immer die Mehrheitsmeinung berücksichtigen muss. Taktische Kompromisse werden so sehr schwierig und müssen gut erklärt werden, manche Gelegenheiten bleiben so ungenutzt. In der öffentlichen Wahrnehmung wird dies manchmal als unprofessionell dargestellt. Aber ist die Meinung vieler deswegen unwichtig und sollte von wenigen überstimmt werden?
Zumindest der Parteikonvent der SPD hat diese Frage am Samstag klar mit Ja beantwortet. Jeder der 124 Deligierten, der an diesem Tag für eine Einführung der Vorratsdatenspeicherung gestimmt hat, hat sich an diesem Tag gegen die Beschlüsse von 11 SPD Landesverbänden [*] und gegen den Antrag von 122 Gliederungen gestellt. Viel wichtiger schien der Mehrheit der Deligierten dann aber doch das taktische Moment gewesen zu sein. Schließlich ist es keine 4 Tage her, dass bundesweit der Rücktritt von Parteichef Sigmar Gabriel zur Debatte stand, sollte die Vorratsdatenspeicherung abgelehnt werden. [1] So steht in den ersten Pressemitteilungen zum Konvent dann auch genau das, was viele Deligierte vor der Abstimmung sicher dachten: „Eine Niederlage auf dem Konvent wäre für Gabriel eine Blamage gewesen und hätte auch die Verlässlichkeit der Sozialdemokraten in der Großen Koalition infrage gestellt.“
Nachdem sich die SPD mit der Einführung der Hartz-Gesetze bereits von ihren einst sozialen Einstellungen mehr und mehr verabschiedet hatte, scheint nun auch die Meinung der Basis dem Machterhalt weichen zu müssen. Da nicht zu erwarten ist, dass 188 Mitglieder der SPD im Bundestag gegen das Gesetz stimmen werden, ist dessen Annahme mehr als wahrscheinlich. Die SPD wird damit willkürlich, austauschbar und zum Mehrheitsbeschaffer. Eine Rolle, die schon manch anderer Partei mehr als schlecht bekam.
Man mag zur Vorratsdatenspeicherung stehen wie man will, die Meinung seiner Mitglieder zu ignorieren, kann für eine Organisation auf Dauer nicht von Vorteil sein. „Die Vorratsdatenspeicherung gibt es in Frankreich, sie konnte auch den Anschlag in Paris nicht verhindern. […] Und: Eine solche Speicherung verstößt gegen die Grundrechte. Das hat der Europäische Gerichtshof eindeutig festgestellt.“, meinte ein SPD Mitglied noch im Januar 2015.[2] Schon fast ironisch, dass die selbe Person zwei Monate später die Einführung genau dieser Regelung dann selbst vorstellte [3] und heute durch sein unermüdliches Werben für dafür als vermeintlicher Retter der Partei gefeiert wird. [4]
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