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Geschichte von Frauen und anderer nichtmännlicher Personen in der Parteipolitik

Ein bild des landtages sachsen in gelb lila

Seit über 100 Jahren haben Frauen in Deutschland das aktive (du darfst Personen in ein Parlament wählen) und das passive (du darfst dich in ein Parlament wählen lassen) Wahlrecht.
Wie hat sich die Situation seitdem verändert und wie genau steht es um die Frauen und anderen nicht cis männlichen Personen im Sächsichen Landtag?

Allgemeiner geschichtlicher Abriss

Im November 1918 beschloss der Rat der Volksbeauftragten die grundlegende Gleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz. Frauen wurden erstmals dieselben bürgerlichen Rechte zugesprochen, die Männer schon längst genossen. Im Zuge dessen erhielten nun auch nichtmännliche Mitglieder der Gesellschaft das aktive und passive Wahlrecht für die Wahl zur Weimarer Nationalversammlung. In Vorbereitung auf diese Wahl organisierten Parteien Kurse und Veranstaltungen, um die vermeintlich politisch unkundigen Frauen „fortzubilden“ und ihnen das Wählen zu „lehren“.
Eine tatsächliche politische Emanzipation von Frauen war aber trotz gerade erst erkämpftem passivem Wahlrecht nicht oder nur sehr schwer möglich, da kandidierende Frauen von Männern in Machtpositionen parteiübergreifend auf hintere Listenplätze verwiesen wurden, was einen Einzug in Parlamente erheblich erschwerte.

Bei der Wahl zur Weimarer Nationalversammlung im Februar 1919 gaben 80% der nun wahlberechtigten Frauen ihre Stimme ab. 300 Frauen kandidierten für einen Einzug ins Parlament, 37 davon wurden tatsächlich gewählt. Dies entsprach einem Anteil weiblicher Abgeordneter von knapp 9%.

Erste Frauen im Landtag

Julie Salinger (DDP) zog 1919 gemeinsam mit Helene Wagner (MSPD) und Anna Geyer (USPD) in die sächsiche Volkskammer und Jahr später als erste weibliche Abgeordnete in den sächsischen Landtag ein. Sie setzte sich für Gleichberechtigung von Mann und Frau im Hinblick auf Erwerbslosenunterstützung und Rentenversicherung ein und war Mitglied des Prüfungsausschusses. Salinger und ihre Familie wurden nach der Machtübernahme der NSDAP vertrieben und 1942 im KZ Theresienstadt ermordet.
Zwischen 1919 und 1933, bis zur Gleichschaltung des Parlaments durch die Nazis, waren insgesamt 19 Politikerinnen sieben verschiedener Parteien im sächsischen Landtag vertreten. In dieser Zeit lag der Anteil weiblicher Vertreterinnen zwischen 2,1% und 7,3%, was, verglichen mit anderen deutschen Parlamenten auf Bundes- und Landesebene, immer vergleichsweise gering war.

Situation im Landtag heute

Aktuell sind im sächsischen Landtag 34 von insgesamt 119 Abgeordneten, also ca 28,6%, nichtmännlich. In der vorherigen Legislaturperiode waren es immerhin noch 34,1%. Den höchsten Frauenanteil im Parlament hat die Linksfraktion mit rund 64,3%, den niedrigsten unüberraschend die AfD-Fraktion mit mageren 11,3%. Vergleicht man die Frauenquote im sächsischen Landtag mit denen anderer deutscher Landesparlamente, gibt Sachsen keine gute Figur ab. Nur Rheinland-Pfalz (27,7%) und Bayern (26,8%) wiesen im vergangenen Jahr noch schlechtere Quoten vor.

Es bleibt abzuwarten, wie sich der Anteil von Frauen und anderen nichtmännlichen Abgeordneten mit der nächsten Landtagswahl im kommenden Jahr entwickeln wird und ob die Politikerinnen, die ihre Wiederkandidatur bereits ausgeschlossen haben, paritätisch nachbesetzt werden.
Der Bundestag ist derzeit zu ca. 34,7% nichtmännlich besetzt. Das ist zwar eine Verbesserung zur vorherigen Legislaturperiode (30,9%), nach der Bundestagswahl 2013 betrug der Frauenanteil allerdings bereits 36,3%. Eine stetige Verbesserung der Repräsentation von Frauen ist also auch auf Bundesebene nicht zu erkennen und nichtbinäre, agender in inter Personen werden kaum oder gar nicht repräsentiert und auch trans Männer sind faktisch unsichtbar.

Verantwortung der Parteien

Doch warum sind immer weniger weibliche Personen im Land- und im Bundestag?
Berichte von verschiedenen nichtmännlichen Personen aus verschiedenen Parteien zeigen immer wieder, dass die Parteiarbeit zunehmend als unattraktiv wahrgenommen wird. Die oft starren Parteistrukturen schrecken ab und erinnern an Alt-Herren-Vereine, in der Berichterstattung fehlt es an Repräsentation, die Care-Arbeit liegt in unserer Gesellschaft oft bei weiblich sozialisierten Personen, oft fehlt es in den Parteien an Awareness-Strukturen und trans und nichtbinäre Personen stehen bei ihren Kandidaturen vor besonders großen formellen Herausforderungen, z.B. wenn es darum geht, dass der richtige Name nicht auf dem Wahlschein stehen darf.
All das und vieles mehr sind Gründe, warum sich viele nichtmännliche Personen lieber in anderen Strukturen, wie zum Beispiel NGOs, engagieren und nicht in Ellenbogen-Strukturen wie Parteien.

Es ist also höchste Zeit, dass wir Parteien einiges an uns ändern, um für mehr Menschen attraktiver zu werden und uns dabei vielleicht auch etwas bei außerparlamentarischen Gruppen abzuschauen. Denn das Thema Repräsentation ist in Parteien in vielerlei Hinsicht schwierig. Viele Gruppen sind innerhalb von Parteien gar nicht oder nur ungenügend vertreten: Frauen und andere Menschen, die wegen ihres Geschlechts diskriminiert werden, Menschen aus unterschiedlichen Bildungsschichten, neurodiverse Menschen oder Menschen mit Behinderung, Black, Indigenous and People of Color (BIPoC) und viele mehr.
Doch nur mit möglichst vielen unterschiedlichen Menschen kann Politik gemacht werden, bei der auch an möglichst viele, unterschiedliche Menschen gedacht wird. Deshalb liegt es in der Verantwortung von uns Parteien, Angebote zu schaffen, die mehr verschiedene Menschen ansprechen und sie für Politik zu begeistern.