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200€ Energiegeld für Studierende – zu wenig und zu spät, zu kompliziert und zu unsicher

Zu sehen ist ein Portemonnaie mit einigen Euro-Scheinen und Münzen darin und daneben.

Viele Studierende in Sachsen bangen momentan um die Finanzierung ihres Lebensunterhaltes. Die sächsische Studierendenvertretung erklärte diesen Umstand bislang in zwei offenen Briefen an die Landesregierung, unter anderem auch direkt gegenüber Ministerpräsidenten Kretschmer. Einige von ihnen würden nach Aussagen der Studierenden selbst sogar über den Abbruch ihres Studiums nachdenken bzw. haben es bereits abgebrochen. Der Grund? Sie wissen einfach nicht mehr, wie sie sich all das noch finanzieren sollen. Denn Studierende haben keine Ersparnisse oder Rücklagen, mit denen sie die Inflation momentan aufhalten können. Die angebliche Studienfinanzierung – das BAföG – ist dabei noch immer nicht an die tatsächlichen Lebenshaltungskosten angepasst. Da in Sachsen nicht mal ein Fünftel aller Studierenden welches erhalten, ist das jedoch sowieso vernachlässigbar. Dass über 76 % der allein oder in WGs lebenden Studierenden als armutsgefährdet gelten, ist der Bundesregierung bereits bekannt.

Daher wurde schließlich im dritten Entlastungspaket der Bundesregierung beschlossen, dass an alle Studierenden eine Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro gezahlt wird. Ungünstig ist nur, dass diese Entlastung nur auf Antrag gewährt wird. Dass selbst einfachste Antragsverfahren erschreckende Rücklaufquoten aufweisen, zeigte sich bereits bei den Semesterticketrückerstattungen im Rahmen des 9-Euro-Tickets. Denn durch die Krise besonders schwer belastete Studierende sind schwer zu erreichen. Daher wird diese Entlastung bei denen, die es am dringlichsten benötigen, gar nicht erst ankommen. Ziel verfehlt – aufgrund von Bürokratie.

Weiterhin ungünstig: Die Studierenden warten auf die Auszahlung der versprochenen 200 Euro nun bereits seit September. Vor allem während des Winters und der momentanen Prüfungszeit sind sie jetzt besonders stark belastet. Dazu kommt, dass der aktuell fällige Semesterbeitrag an den meisten sächsischen Hochschulen höher als 200 Euro ausfällt. Es ist also nicht verwunderlich, wenn einige Studierende sich dazu entscheiden würden, diesen gar nicht erst zu zahlen und das Ende ihres Studiums aufgrund finanzieller Engpässe damit in Kauf nehmen.
Doch nun es soll vorangehen mit der Auszahlung der Energiepreispauschale: Die sächsische Landesregierung hat auf Grundlage des Studierenden-Energiepreispauschalengesetzes (EPPSG) eine Verordnung erarbeitet. In dieser wird geregelt, wie die Daten aller sächsischen Studierenden verarbeitet werden sollen, um die 200 Euro auszuzahlen. Denn damit die Betroffenen an ihr Geld gelangen, braucht es schließlich Kontodaten. Doch vor allem beim Datenschutz lassen sich hier noch einige Lücken blicken.

Das Verfahren soll so ablaufen, dass alle Hochschulen die Namen und Geburtsdaten aller zum 01.12.2022 immatrikulierten Studierenden als Listen zur Verfügung stellen. Die Studierenden stellen dann über ein Online-Antragstool den Antrag auf Auszahlung und geben ihre eigenen Daten (Matrikelnummer, Adresse und Mailadresse sowie Kontodaten) an. Diese Daten werden dann mit den Listen der Hochschulen abgeglichen und die 200 Euro auf das angegebene Konto überwiesen. Voll automatisiert und ohne personelle Prüfung der Anträge. Problematisch ist allerdings, dass hierbei eine zweifelsfreie Identifizierung notwendig wird. Diese erfolgt auch in Sachsen über die sogenannte „bund.ID“ (Identifizierung bspw. über digitalen Personalausweis oder ELSTER-Zertifikat). Alternativ kann auch ein Zugangsschlüssel und Pin ausreichen, um sich zu identifizieren. Diese Daten werden den Studierenden vonseiten der Hochschulen zur Verfügung gestellt. [Update: Nach neueren Informationen wird die Option für den Zugang zum Onlineportal mittels Pin und Nutzerkennung vermutlich nicht möglich sein. Wir informieren, sobald es Updates über die genaue Regelung in Sachsen gibt.]

Schwierig ist hierbei allerdings, dass es keine Alternativen zum Onlineportal für die Antragstellung gibt. Bei knapp drei Millionen Nutzer*innen bundesweit lässt sich über die Ausfallsicherheit des Tools streiten. Datenschutzprobleme haben wir bereits beim Onlineportal der Grundsteuer sowie beim Coronanothilfe-Antragstool gesehen. Dass das Portal zur Auszahlung der Energiepreispauschale für Studierende davon frei sein soll, ist zweifelhaft. Besonders bei einem Blick auf die vorgegebene Verschlüsselungsmethode der Datensätze, welche die Hochschulen über all ihre Studierenden zur Verfügung stellen sollen: Es gibt keine. Die sächsische Verordnung legt bislang nicht fest, auf welche Weise eine Verschlüsselung oder eine Hashfunktion hier angewandt werden soll. Gefundenes Fressen also für Hacker-Angriffe, welche an den sächsischen Hochschulen in den letzten Monaten ja nicht gerade selten waren.

Wenn es dann doch klappt, dass die Studierenden 200 Euro als Entlastung erhalten haben, wurden sie hoffentlich noch nicht zusätzlich durch abhanden gekommene Daten belastet. Außerdem ist fraglich, ob sich die meisten von ihnen dann überhaupt noch in ihrem Studium befinden oder bereits in schlecht bezahlten Jobs ackern.

In Zeiten von rückläufigen Studierendenzahlen in Sachsen und mutmaßlichem Fachkräftemangel fragt sich also die regierende CDU noch immer, ob sich die Studierenden wirklich in existenziellen Notlagen befinden. Bei dieser schlechten Umsetzung von Entlastungsmaßnahmen sind sie es spätestens jetzt. Wirksame Hilfen scheitern momentan wohl mutmaßlich am Finanzministerium selbst.

Als Piratenpartei Sachsen positionieren wir uns ganz klar für die von Armut betroffenen Studierenden und fordern die Landesregierung endlich zum Handeln auf!