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„Nutzen wir den Rechtsstaat, denn dafür haben wir ihn. Noch.“

Drei schwarze Müllsäcke, der mittlere hat einen geschwungenen roten Pfeil nach unten als Aufdruck. Der Hintergrund ist lila mit Punkten.
Bild: Piraten Sachsen, CC SA-BY

Kommentar von Manuel Wolf

Seit dem 2. Mai 2025 stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als eine gesichert rechtsextreme Bestrebung ein. Grund dafür ist unter anderem das „in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis“ und daraus resultierend die „Vielzahl fortlaufend getätigter fremden-, minderheiten- sowie islam- und muslimfeindlichen Äußerungen“. 

Während ich bei dieser Bekanntgabe vor meinem geistigen Auge Louis de Funès sehe – Nein?! Doch! Ohh!! – machen mich die Aussagen der zukünftigen Bundesregierung beinahe sprachlos. Der zukünftige Innenminister Alexander Dobrindt von der CSU spricht sich gegen ein AfD-Verbot aus, stattdessen solle man die AfD „wegregieren“. Auch sein Koalitionspartner von der SPD und wahrscheinlich der nächste Finanzminister, Lars Klingbeil, will die AfD „politisch kleinkriegen“, also mit Inhalten stellen.

Und genau da liegt der Knackpunkt. Die AfD hat keine politischen Inhalte, ihr Inhalt ist der Rechtsextremismus, basierend auf ihrem „ethnisch-abstammungsmäßige[n] Volksverständnis“. Und viel Glück, diese Partei damit „politisch kleinzukriegen“. Nicht, dass die großen Parteien der Bundesrepublik es nicht versucht hätten. Man erinnere sich an Bundeskanzler Olaf Scholz, wie er im Spiegel sagte, wir müssten endlich im großen Stil abschieben, an Innenministerin Nancy Faeser, die trotz Schengenabkommen permanente Kontrollen an allen deutschen Binnengrenzen anwies oder an den zukünftigen Bundeskanzler Friedrich Merz, wie er im Januar 2025 mit seinem 5-Punkte-Plan zur Migration die letzten schwach glühenden Reste der ehemaligen Brandmauer löschte und zusammen mit der AfD für mehr Zurückweisung an den deutschen Grenzen stimmte.

In Folge dieser Bemühungen, die AfD so inhaltlich zu stellen, erreichte diese beinahe ein Drittel der Stimmen in Sachsen und Thüringen – wo die Partei übrigens schon seit Jahren als gesichert rechtsextrem eingestuft ist – und verdoppelte ihr Wahlergebnis im Bundestag. Eine Partei, deren politische Strategie aus Angst, Hass und Lügen besteht, lässt sich nicht „wegregieren“ und sie lässt sich nicht in politischen Debatten kleinmachen. Was Exekutive und Legislative aber nicht schaffen, das könnte die Judikative erreichen. 

Seit Jahren fordern verschiedene politische Akteur:innen ein Verbotsverfahren gegen die AfD. Dieses wurde auf Bundesebene häufig aufgeschoben, oft dadurch begründet, dass man auf den Bericht des Verfassungsschutzes warten wolle. Zwischenzeitlich wurden bereits drei Landesverbände der AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft, sechs weitere werden als Verdachtsfall untersucht. Auch die innerparteiliche Organisation „Der Flügel“ unter Höcke und Kalbitz sowie die Parteijugendorganisation „Junge Alternative“ wurden als rechtsextrem eingestuft. Diese Strukturen lösten sich selbst daraufhin auf, die meisten ihrer Mitglieder blieben aber natürlich innerhalb der Mutterpartei.

Wer ein Verbotsverfahren also in den letzten Jahren abgelehnt hat und erst einmal abwarten wollte, muss sich spätestens jetzt die Frage gefallen lassen, wie viele Hinweise und Signale es noch braucht? Ja, es sind von Anfang an Fehler gemacht worden im Umgang mit der AfD. Ja, vermutlich hätte man sie in den ersten Jahren nach der Gründung noch inhaltlich stellen können. Ja, vielleicht hätte sich die Partei unter bestimmten Umständen anders entwickelt. Aber all diese Diskussionen sind müßig, denn was wir jetzt haben, ist eine rechtsextreme Partei, in der rechtsextreme Personen den Ton angeben, und deren Wähler:innen und Sympathisant:innen sich durch rechtsextreme Propaganda immer weiter von den demokratischen Werten unseres Grundgesetzes entfernen. 

Wenn das Verbotsverfahren jetzt nicht eingeleitet wird, dann wird unsere Gesellschaft und unsere Demokratie weiteren Schaden nehmen. Aktuell ist noch nicht einmal klar, ob die bis heute angerichteten Schäden überhaupt reparabel sind. Denn natürlich ist ein Verbot der AfD kein Allheilmittel für die in der Bevölkerung offensichtlich tief verankerte Sympathie gegenüber Autokratie, Rassismus und Rechtsextremismus. Hier bedarf es tiefgreifender Maßnahmen im Bereich der politischen Bildung und Partizipation. Aber das Verbotsverfahren nicht zu eröffnen, wäre eine Kapitulation gegenüber den Feinden von Demokratie, Freiheit und Menschenwürde.

Ich sage: Nutzen wir den Rechtsstaat, denn dafür haben wir ihn. Noch.